Rechtliches
Spendenkonto
Christian-Liebig-Stiftung e.V.
IBAN: DE20 700 700 240 7003700 00
BIC: DEUTDEDBMUC
Deutsche Bank München
Julia Wiesinger ist Lehrerin aus Deutschland und hat drei Wochen ihrer Sommerferien in Malawi verbracht. Der Kontakt entstand über das Netzwerk der Christian-Liebig-Stiftung e.V. (CLS). Ute, Vorstandsmitglied der CLS, brachte sie mit Chisomo in Verbindung, einem Arzt, der in Mangochi eine private Klinik betreibt und nebenher vor Ort Gesundheitsworkshops an Schulen durchführt.
Chisomo half Julia insbesondere bei Unterkunft, Organisation und mithilfe seiner vielfältigen Kontakte. Die Reise selbst war eine persönliche Initiative: Sie organisierte und finanzierte alles eigenständig. Im Gespräch berichtet Julia von ihren Eindrücken – von vollen Klassenzimmern über Begegnungen mit Schülerinnen bis hin zu Besuchen in Kinderheimen.
Julia Wiesinger unterstützt Chisomo während seiner Workshops.
CLS: Wie kam es dazu, dass du nach Malawi gereist bist?
Julia: Im Januar bin ich über eine Anzeige der Christian-Liebig-Stiftung gestolpert. Es ging um ein Mädchenwohnheim und darum, dass man mit 200 Euro ein Jahr Kost und Logis für ein Mädchen sichern kann. Im Gegensatz zu manch anderen Organisationen, die manchmal mein Misstrauen wecken, wirkte die CLS auf mich gleich sympathisch, vertrauenswürdig und zugleich professionell. Ich habe gespendet und wenig später eine Postkarte mit Foto bekommen. Das fand ich sehr persönlich und sehr wertschätzend. Deswegen habe ich mich näher mit dem Verein beschäftigt und Kontakt aufgenommen.
CLS: Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, nach Malawi reisen zu wollen?
Julia: Dass es Malawi wird, ist der CLS geschuldet, aber der Wunsch, etwas im Wohltätigkeitsbereich zu machen, war schon lange da. Schon als Jugendliche wollte ich einmal etwas Sinnvolles im Ausland machen, nicht nur reisen. Während des Studiums und auch später habe ich immer wieder nach Möglichkeiten gesucht. Leider vergeblich. Viele Organisationen boten nur langfristige Einsätze an oder suchten andere Berufsgruppen wie Handwerker oder Pflegekräfte. Irgendwann dachte ich mir: Warum nicht einfach direkt bei der CLS nachfragen? Eigentlich bieten sie so etwas nicht an, und klar war auch, dass ich alles selbst finanzieren und organisieren musste. Aber die Unterstützung war wertvoll: Ute, die selbst schon für längere Zeit in Malawi war, konnte mir mit ihren Erfahrungen sehr helfen. Über sie lernte ich schließlich Chisomo kennen, und damit wurde die Idee greifbar. Ich wollte miterleben und mitanpacken, ohne Touristenblase.
Julia will vor allem jungen Mädchen eine Perspektive eröffnen.
CLS: Und wie liefen die Vorbereitungen?
Julia: Die Vorbereitungen waren eine Mischung aus Organisation und vielen Überlegungen, was ich dort eigentlich beitragen könnte. Wir haben vereinbart, dass ich für 25 € pro Tag für Kost und Logis bei Chisomo wohne und vor Ort flexibel unterstütze, wo man mich brauchen oder einsetzen kann. Mein Beitrag sollte vor allem Zeit, Energie und Know-how sein. Ich hatte gehofft, mit Jugendlichen, Lehrern und Lehrerinnen und Direktoren ins Gespräch zu kommen, im Schulalltag mithelfen zu können, und eigene Ideen einzubringen.
CLS: Wie sah dein Alltag aus?
Julia: Chisomo hat mich vom Flughafen abgeholt und war von Anfang an eine riesengroße Unterstützung in einem Land, das ich ja noch nicht kannte. Ich war jeweils eine Woche an zwei privaten weiterführenden Schulen: erst an der Ronwin Secondary Private School, wo ich in großen Klassen hospitierte, Unterrichtsstunden übernahm, und ein selbständiges Projekt zum Thema „Deforestation“ abhalten konnte. Besonders beeindruckend fand ich, dass diese recht neue Schule von einem früheren und bereits pensionierten Schulleiter mit viel Herzblut aufgebaut wurde und von ihm geleitet wird. Dann war ich noch an der Orama Secondary Private School, wo ich in Englisch und Geographie auch mitarbeiten und den Unterricht übernehmen konnte.
Außerdem durfte ich eine Woche lang einen Nachmittagsworkshop mit Caro Zulu für eine Gruppe von Mädchen im Alter von 13 bis 17 Jahren geben. Caro ist eine junge Frau aus Mangochi, die nach ihrem Sozialarbeitsstudium keinen Job fand und deshalb diese Mädchengruppe ehrenamtlich ins Leben gerufen und aufgebaut hat. Die Mädchen wollten mit mir Deutsch lernen; wir schrieben Dialoge, übten kleine Rollenspiele und diskutierten über Themen wie Alltagskompetenzen, Selbstbewusstsein und Zukunftspläne. Ein besonderes Highlight für die Mädchen war eine Einheit zu Damenhygiene und Sexualaufklärung, die Chisomo fachlich unterstützte. Zum Abschied gab es für mich eine Überraschungsparty mit traditionellen Outfits und selbstgeschriebenen Liedern und Gedichten von den Mädchen. Das hat mich sehr berührt und glücklich gemacht. Ich wünsche mir, dass ich mit Caro und den Mädchen weiter in Kontakt bleiben und vielleicht zwischen ihnen und meinen deutschen Schülern und Schülerinnen eine Art E-Mail-Freundschaft aufbauen kann.
Julia Wiesinger unterrichtet in Malawi Schüler und Schülerinnen
CLS: Was war für dich im Unterricht besonders eindrücklich?
Julia: Die Rahmenbedingungen. Klassen mit teilweise über 80 Schülerinnen und Schülern. Hitze, stickige Luft, harte Bänke, Enge. Unterricht ausschließlich mit weißer Kreide und Tafel, keine Bücher, keine Bilder, keine Filme, keinerlei Anschauungsmaterial. All das, was bei uns selbstverständlich ist, fehlte hier. Gleichzeitig spürte trotz dieser widrigen Umstände eine hohe Motivation bei den meisten Jugendlichen.
CLS: Bildung gilt als Schlüssel. Deckt sich das mit den Perspektiven vor Ort?
Julia: In der Theorie schon. Doch in der Praxis sind hohe Arbeitslosigkeitsraten – selbst bei Akademikern – geringe Einkommen und die Bevölkerungsexplosion sehr große Hindernisse. Manche Jugendlichen fragen sich zu Recht, was ein Abschluss bringt, wenn es anschließend keine Jobs gibt. Das ist ernüchternd und erklärt, warum kurzfristige „Motivationsparolen“ ins Leere laufen. Trotzdem habe ich gespürt, wie wichtig den jungen Menschen Zugang zu Bildung ist und wie interessiert sie meinen Geschichten über das Leben in westlichen Industrieländern lauschten. Viele Jugendliche begreifen sehr wohl, dass Bildung Türen öffnet, Selbstvertrauen schafft und Perspektiven offenhält, auch wenn der Weg steinig ist.
Julia Wiesinger bringt den Schülerinnen und Schülern die Welt näher.
CLS: Du hast auch zwei Kinderheime besucht. Welche Eindrücke nimmst du von dort mit?
Julia: Diese Besuche waren natürlich auch höchst emotional. Beide Waisenhäuser hatten jeweils knapp 25 Kleinkinder im Alter von ein bis drei bzw. von null bis drei Jahren. Doch die Unterschiede waren auch wieder enorm.
Im ersten Waisenheim, dem Open Arms Mangochi, merkte ich eigentlich erst nach zwei Stunden Spielen ohne Spielzeug, ohne Bücher oder gar Turngeräte etc., wie hart auch hier der Alltag wirklich ist. Der Geruch, die Nässe, keine Windeln, keine Schnuller, keine ablenkenden Hörbücher für Gute-Nacht-Geschichten, keine Bilderbücher. Und trotzdem begegneten die Mitarbeiterinnen der Rasselbande in allen Situationen stets geduldig und liebevoll. Bei Stromausfall wurde zum Beispiel einfach die Taschenlampe im Mund gehalten und die Kinder an beiden Händen ins Bett gebracht. Dieses Waisenheim ist nicht in privater Trägerschaft und hat offensichtlich überaus knappe Ressourcen.
Das zweite Heim war finanziell wesentlich besser ausgestattet. Es nannte sich Aleluya Orphanage und wurde in den 70er Jahren von einer Italienerin gegründet. Es wird bis heute von einem großen Freundeskreis getragen. Die Einrichtung war hell, sauber und gut ausgestattet. Es gab Spielzeug, ordentliche und saubere Kleidung, gepflegte und helle Räume und sogar einen Garten mit Spielwiese, Blumen und Bäumen. Und trotzdem habe ich auch hier die bittere Realität gesehen. Die Kinder in beiden Heimen müssen nämlich spätestens im Alter von drei Jahren zu Verwandten oder Adoptiveltern kommen. So ist das staatlich geregelt. Und es wurde mir erzählt, dass sehr viele dieser Kinder binnen weniger Monate mangelernährt sind und später auch nicht auf die Schule geschickt werden. Das hat mir sehr deutlich gezeigt, was Menschen mit Engagement leisten und wie sehr am Ende doch Ressourcen und Politik über die Möglichkeiten entscheiden.
Julia Wiesinger hat zwei Waisenhäuser in Malawi besucht.
Auch die Kleinsten hat Julia auf ihrer Reise besucht.
CLS: Was hat dich besonders bewegt?
Julia: Ich glaube, es ist das Gesamtpaket. Die Leute leben von der Hand im Mund, das Land steckt in tiefen Krisen und es existieren scheinbar unlösbare Probleme in sämtlichen Bereichen. Egal ob Gesundheitssektor, Bildungssektor oder das Arbeitsleben – alles ist durch und durch problematisch. Hinzu kommt, dass der Alltag allein schon wegen der Hitze und des permanenten Staubs überall sehr beschwerlich ist. Und dennoch sind die Leute gut drauf, haben Freude am Leben und jammern nicht.
Ein Beispiel: womit ich so nicht gerechnet hatte, waren die Lebenshaltungskosten. Die vereinbarten 25 Euro am Tag für Kost und Logis erschienen mir vor der Reise doch eher hoch. Vor Ort merkte ich aber, wie teuer Lebensmittel in Malawi tatsächlich sind und wie wenig die Menschen hier verdienen. Ein Lehrer verdient gerade einmal umgerechnet circa 200 Euro. Wenn er dann drei Euro für ein Kilo Tomaten, die noch dazu lokal angebaut werden können, ausgeben muss, ist das schon sehr viel. Ganz zu schweigen von den Kosten für Wohnen, Kleidung und so weiter. Eine richtige Wohnung, wie wir sie kennen, haben die wenigsten. Und Strom und fließend Wasser – sofern es gerade nicht Stromausfall und abgestelltes Wasser gibt – erst recht nicht. Und trotz der allgegenwärtigen Armut habe ich vielfach erlebt, wie unglaublich herzlich und großzügig die Menschen mir gegenüber waren.
In dem Waisenhaus zum Beispiel, in dem es wirklich kaum Geld gab, trugen die drei Betreuerinnen selbst abgetragene Kleider und Schuhe, bei denen die Fersen teils fehlten. Und doch zwackten sie mir von ihrem schlichten Abendessen einen Teller ab. Genau diese Mentalität prägt Malawi: teilen, selbst wenn man kaum etwas hat. Dazu kam das ständige Interesse und die positive Grundeinstellung. Überall rief man mir „Hey Miss, Hey Miss“ hinterher, was nicht anzüglich gemeint war, sondern als Gruß und Interesse an mir als Fremde.
CLS: Dein Resümee in wenigen Sätzen?
Julia: Unvorstellbar bewegend, beeindruckend, schön, herzerwärmend, intensiv und schon auch anstrengend. Es war leider aber auch bitter zu erkennen, dass diese Teufelskreise nicht so schnell durchbrochen werden können und die Probleme im Land derart massiv sind.
Gerade deshalb finde ich die Herzlichkeit der Menschen, die Offenheit, die unglaublich positive und freundliche Grundeinstellung sowie die Akzeptanz, das Beste aus allem zu machen, überaus bewundernswert. Das möchte ich auch für mich in meinen Alltag mitnehmen.
Und ich möchte hier noch einmal ganz laut DANKE sagen an Ute und das Team von CLS mit Carolin Nagler als Ansprechpartnerin, an Chisomo und Tamanda, Rabson, Caro, Fortune und alle weiteren Personen, die dazu beitrugen, dass ich so viele spannende Eindrücke vom Land gewinnen konnte.
Fotos: Julia Wiesinger