Kinder am Wasserbrunnen in Nkuyu

Ein Gespräch mit Affonso Gavinha über seine Reise nach Malawi

Demut – das ist, was bleibt

Vor zehn Jahren reiste Affonso Gavinha zum ersten Mal mit der Christian-Liebig-Stiftung e.V. nach Malawi. In diesem Jahr kehrte er zurück – mit neuen Beobachtungen, Begegnungen und einem Gefühl, das bleibt: Demut.

Affonso, du warst schon einmal in Malawi dabei. Was hat dich motiviert, nach zehn Jahren erneut mitzureisen?

Mein Besuch vor zehn Jahren hat mich tief bewegt. Trotz vieler Reisen in Länder mit ähnlichen Herausforderungen war ich damals besonders betroffen von der Armut, vor allem in den ländlichen Regionen. Gleichzeitig war ich beeindruckt davon, was die Christian-Liebig-Stiftung e.V. gemeinsam mit ihren Partnern und den vielen engagierten Menschen vor Ort aufbauen konnte. Als mich Beatrice vor einigen Wochen bat, an der diesjährigen Projektreise teilzunehmen, habe ich mit großer Vorfreude und Neugier sofort zugesagt.

Wie hast du dich gefühlt, als du diesmal wieder ausgestiegen bist – was war vertraut, was hat sich verändert?

Die Ankunft war zunächst von einer überraschend intensiven Bürokratie am Flughafen geprägt: Wir mussten mehrfach unsere Pässe zeigen, den Zweck unserer Reise erklären und unser Gepäck – das hauptsächlich aus Geschenken und Hilfsgütern für Schüler, Lehrkräfte und Helfer bestand – am Zoll auspacken. Ein offizielles Schreiben des Malawischen Botschafters löste das Problem aber schnell.

Sobald wir im Land waren, war alles wieder vertraut: die Herzlichkeit der Menschen, ihre Wärme und Gelassenheit. In Malawi spürt man eine besondere Friedfertigkeit und Offenheit im Umgang miteinander. Diesmal hatte ich auch Gelegenheit, bis zum Malawisee und in die Hauptstadt Lilongwe zu reisen. Im Gegensatz zum trockenen Süden ist der Norden im Oktober deutlich grüner und lebendiger.

Affonso Gavinha in Malawi

Affonso Gavinha in Malawi 2025.

Bildung als Motor der Veränderung

Schüler und Schülerinnen im Computerraum

Die Schülerinnen und Schüler freuen sich über den Computerraum

Was hat sich an den Schulen und in der Zusammenarbeit verändert?

Wie schon bei meiner ersten Reise war ich beeindruckt vom Engagement der Lehrerinnen und Lehrer, der Helfer – und vor allem von der Begeisterung der Kinder.

Die Schüler gehen mit echter Freude zur Schule, die Mädchenwohnheime sind ein Segen: Sichere Orte, die vielen Mädchen überhaupt erst ermöglichen, eine Sekundarschule zu besuchen. Bildung hat in Malawi einen enormen Stellenwert, weil sie tatsächlich Türen öffnen kann – ganz gleich, ob sie in ein Handwerk führt oder zu einem akademischen Abschluss.

Die Begeisterung der Kinder und ihr Stolz – das ist etwas, das mich jedes Mal aufs Neue beeindruckt.

Diese Energie zu spüren, gibt mir jedes Mal Hoffnung. Sie zeigt, dass die Idee „Hilfe zur Selbsthilfe“ funktioniert – und dass Bildung der wirkungsvollste Hebel für Veränderung ist.

Aufklärung macht Mädchen stark

Gab es Projekte, die dich besonders beeindruckt oder nachdenklich gemacht haben?

Ja. Besonders beeindruckt hat mich ein Projekt des jungen Arztes Chisomo Tumeo, der unter anderem waschbare Binden an junge Frauen verteilt, die sich Hygieneartikel sonst nicht leisten können oder kaum Zugang dazu haben. Das ermöglicht es ihnen, auch während der Menstruation ihrer beruflichen Tätigkeit nachzugehen oder die Schule weiterhin zu besuchen.

In manchen Regionen ist das Thema Menstruation noch immer stark tabuisiert. Viele Mädchen und Frauen bleiben während dieser Zeit zu Hause – auch Lehrerinnen, was auch häufig an den schlechten Sanitären Einrichtungen an den Schulen liegt. Dieses Projekt ermöglicht ihnen, am Unterricht und Arbeitsleben teilzunehmen. Es steht sinnbildlich für das, was mich an Malawi so fasziniert: Menschen, die mit Kreativität, Engagement und Eigeninitiative Probleme selbst anpacken – und dabei von der CLS mit Spenden und Tatkraft unterstützt werden.

Mädchen in Schuluniform

Mädchen in Malawi erhalten eine Perspektive.

Was passiert, wenn plötzlich das Licht angeht

Frau an Nähmaschine

Neue Möglichkeiten schaffen Einkommen in Malawi.

Welche Wirkung haben Infrastruktur-Projekte wie Strom oder Wasser im Alltag?

Ein gutes Beispiel ist die Schule in Nkuyu, die vor über einem Jahr durch CLS mit einer Solaranlage ausgestattet wurde. In Windeseile hat sich seitdem dort ein neuer, kleiner Mikrokosmos entwickelt: Es gibt nun Licht auf dem Dorfplatz, ein Gemeindezentrum, das ebenfalls von der CLS finanziert wurde, eine Schneiderei, einen Friseur – ich habe mir dort gleich einen Haarschnitt gegönnt – und ein Internet-Café.

Diese neuen Möglichkeiten schaffen Einkommen, Sicherheit und Gemeinschaft. Jugendliche können nun auch abends, im Licht der neuen Solarlampen, weiterlernen; Familien treffen sich, die Gemeinschaft wächst.

Auch die Schulverpflegung, die CLS gemeinsam mit dem Partner Mary’s Meals ermöglicht, zeigt große Wirkung: Immer mehr Familien schicken ihre Kinder regelmäßig in die Schule, und immer mehr Mädchen erhalten so Zugang zu Bildung.

Manche Begegnungen sind etwas ganz Besonderes

Gab es besondere Begegnungen?

Die Begegnung zwischen Chisomo Tumeo und Bischof Vincent war für mich ein Schlüsselmoment. In diesem Zusammenhang fungierte die CLS als wichtiger Mittler zwischen beiden und will das Projekt, das entsteht, gerne unterstützen.

Der Bischof, der sich seit Jahren gemeinsam mit seinem Team für die Bildung – insbesondere von Mädchen – einsetzt, war begeistert von der Idee der waschbaren Binden. Zu sehen, wie sich zwei Menschen – einer aus der Medizin, einer aus der Kirche – über ein gemeinsames Ziel freuen und sofort überlegen, wie sie es zusammen weitertragen können, war zutiefst bewegend. In solchen Momenten spürt man, dass Veränderung nicht abstrakt ist, sondern wirklich geschieht.

Auch hat mich die Begegnung mit einer ganz besonders motivierten und unglaublich herzlichen jungen Frau, Faida, bewegt. Sie ist Stipendiatin der CLS und lebt im Flüchtlingscamp Dzaleka. Wir durften sie in den Lehrwerkstätten von There Is Hope treffen, wo sie eine Ausbildung zur Klempnerin erfolgreich abgeschlossen hat. Sie erzählte uns voller Freude, wie dankbar sie für die Unterstützung der CLS sei, und hofft, dass ihr dieser Abschluss die Möglichkeit gibt, sich irgendwann selbstständig zu machen.

Wenn man sieht, mit welcher Begeisterung eine junge Frau hoffnungsvoll in die Zukunft blickt, obwohl ihr Flüchtlingsstatus es ihr noch immer nicht erlaubt, außerhalb des Camps zu leben und eine Rückkehr in ihr Heimatland unmöglich ist, dann ist das wirklich beeindruckend.

Matthias Scharpf, Beatrice von Keyserlingk, Bishop Vincent und Chirsomo Tumeo

Matthias Scharpf, Beatrice von Keyserlingk, Bishop Vincent und Chirsomo Tumeo

Die Reise hat mich noch mehr Demut gelehrt

Was hast du persönlich aus der Reise mitgenommen?

Demut.

Das ist für mich das, was am stärksten in Erinnerung bleibt. Die Demut vor der Schöpfung und der Lebensenergie, die man besonders bei Menschen, die materiell wenig haben, aber innerlich so reich sind, so intensiv spürt. Solche Begegnungen führen uns vor Augen, dass wir vieles als selbstverständlich ansehen, das es in Wahrheit nicht ist, und dass wir dadurch oft verlernen, es wirklich zu schätzen und zu bewahren.

Manchmal empfinde ich auch eine gewisse Traurigkeit darüber, dass wir als Menschheit wohl noch ein gutes Stück entfernt sind von dem, was man einen idealen Zustand nennen könnte. Aber genau diese Erkenntnis kann Motivation sein – jeden Tag neu den Versuch zu wagen, diesem Ideal ein Stück näherzukommen.

Was macht die Arbeit der CLS für dich besonders?

Es sind die Menschen. Die, die sie gegründet haben, die sie über 23 Jahre hinweg tragen, und die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer, die ihre Zeit und Energie investieren.

Was mich beeindruckt, ist die Haltung: Kein Ego, kein Konkurrenzdenken, kein „Ich zuerst“. Alle arbeiten am selben Ziel, jeder bringt seine eigene Farbe, seine eigene Sichtweise ein. Das ist das, was echte Zusammenarbeit ausmacht.

CLS steht für Mut, über Grenzen zu gehen, über den Tellerrand hinauszuschauen – und auch mal Konventionen zu ignorieren, wenn sie dem Wohl der Menschen im Weg stehen.

Kinder in sitzen auf einem Hof in Malawi

Kindern in Malawi wird dank Bildung eine Zukunft ermöglicht.

Wenn du einen Satz an alle Unterstützerinnen und Unterstützer der Stiftung richten könntest – welcher wäre das?

„Stell dir Fragen wie ‚Was wäre, wenn?‘. Sei neugierig, lerne, hinzusehen und zuzuhören. Dann hast du die Chance, zu verstehen – und zu handeln. Zum Wohl vieler.“

Mein besonderer Dank gilt Beatrice von Keyserlingk – für ihren Mut, ihr herzliches, aber bestimmtes Engagement über viele Jahre hinweg, für die Gastfreundschaft und die herzliche Aufnahme durch unsere Gastgeber in Malawi. Ebenso möchte ich meinen Kollegen von Grape.Media.Design danken, die durch ihre Unterstützung meine Teilnahme an dieser Reise möglich gemacht haben. Mein Dank gilt außerdem dem gesamten Team der CLS in Deutschland und Malawi für ihre unermüdliche Arbeit, ihren Idealismus und das, was sie jeden Tag bewegen.

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