junge dunkelhäutige Frau Ausbildung Klempnern

„Scale-Up!“-Programm im Flüchtlingslager Dzaleka

Ausbildung zur Klempnerin: Perspektive für Bijoux und Lea

Ausbildung mit Perspektive für zwei junge Frauen. Sie haben unterschiedliche Wurzeln, aber eines eint Lea und Bijoux: Sie mussten Umwege gehen, um ihre Berufung zu finden bzw. ihren Traum zu verwirklichen: Klempnern.

Bijoux-Penina Dodole musste mit 14 Jahren vor dem Krieg ihre Heimat, die Demokratische Republik Kongo verlassen. Ihre Familie landete im Flüchtlingslager Dzaleka in Zentralmalawi, wo sie bis heute lebt. Die gebürtige Malawi Lea Mtachira hatte zwar eine Stelle als Sekretärin, jedoch ohne fundierte Ausbildung und mit geringem Gehalt. Mit der Teilnahme am von der CLS finanzierten Ausbildungsprogramm für Klempner in einem Berufsbildungszentrum nahe des Flüchtlingslagers änderte sich das Leben der beiden jungen Frauen von Grund auf. 

Ausbildung für Flüchtlinge und junge Malawi

Ausbildungsprogramm: Qualifizierung als Klempner in sechs Monaten für 30 junge Erwachsene

Das „Scale up!“-Projekt wird von der lokalen NGO „There is Hope“ in Partnerschaft mit der Deutschen Welthungerhilfe angeboten. Die Christian-Liebig-Stiftung e.V. stellte zwei Jahre lang die Förderung von 30 Ausbildungsplätzen sicher, um jungen Menschen in Malawi finanzielle Sicherheit durch einen soliden Beruf zu bieten. Ein Schwerpunkt: die Chancengleichheit von Frauen verbessern. Das Projekt zeigt zudem, wie wichtig es ist, vor allem den Geflüchteten technische Fertigkeiten zu vermitteln, ihnen Hoffnung und Selbstvertrauen zurückzugeben. Denn die meisten von ihnen werden nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren und müssen sich in Malawi ein neues Leben aufbauen. 

Der Krieg zerstörte ihren Traum

Junge dunkelhäutige Frau in Klempnerausbildung

Kindheitstraum geht in Erfüllung: Bijoux, 22, kann endlich ihrer Berufung nachgehen.

Wie Bijoux. Schon als kleines Mädchen interessierte sich die hochgewachsene Kongolesin fürs Klempnern. Inspiration war ihr Onkel, der in einem angesehen Bauunternehmen des Landes als gefragter Spezialist arbeitete. Mit 12 Jahren begleitete ihn seine Nichte häufig an den Arbeitsplatz und half bei kleineren Klempner-Aufgaben mit. Für Bijoux war klar: „Das ist mein Traumberuf.“  

Der zwei Jahre später ausbrechende Krieg bedeutete das Ende ihres Traum und der Beginn eines Lebens als Flüchtling unter mehr als 50.000 Fliehenden, die in Dzaleka, Malawi, strandeten.

Bijoux erinnert sich daran, wie verletzt und gebrochen sie war. „Meine Hoffnung auf eine bessere Zukunft sank. Alles änderte sich für uns. Plötzlich hatten wir nichts mehr – das Leben als Flüchtlinge war deprimierend.“ Bijoux‘ Leidenschaft, Klempnerin zu werden, verflog.

Arbeitslosigkeit, Frust und Sinnlosigkeit im Flüchtlingslager

Am meisten beunruhigte das junge Mädchen die Perspektivlosigkeit des Lebens im Flüchtlingslager: Es gab keine Arbeit und somit auch keine Möglichkeit, finanziell unabhängig zu werden. Bijoux berichtet, dass ihre sieben Geschwister und ihre Eltern in bitterer Armut lebten. Sie bekamen ein kleines Stück Land zugewiesen, auf dem sie Pflanzen wie Bohnen und Mais für den Verkauf anbauten.

Doch das reichte kaum aus, um alle satt zu bekommen. „Es war eine harte Zeit“, erinnert sich die junge Frau. „Ich hatte nichts mehr zu tun. Meine Zukunft war düster und mein ganzes Leben fühlte sich sinnlos an.“ Da Bijoux über keine besonderen Fähigkeiten und Qualifikationen verfügte, konnte sie nichts zum Familieneinkommen beitragen. So war sie auch nur ein weiterer junger Mensch im Lager, der auf eine Veränderung hoffte.

Finanzielle Sicherheit und Unabhängigkeit als Frau im traditionellen Dorf

Lea Mtachira hatte es auf den ersten Blick leichter: Sie stammt aus Malawi und wuchs in einer traditionellen Familie mit drei Geschwistern auf und hatte einen einfachen Job als Sekretärin in einem Großhandelsgeschäft. Als ihr drei Freundinnen von der Klempner-Ausbildung erzählten, die sie absolviert hatten, von besseren Arbeitsbedingungen und einem höheren Einkommen, mehr Sicherheit und Perspektiven, war Leas Interesse geweckt.

„Die Lebensweise meiner Freundinnen hat mich beeindruckt. Sie waren finanziell besser abgesichert als ich und die meisten Frauen in meiner Nachbarschaft“, erzählt Lea.

junge schwarze Frau in Ausbildung zur Klempnerin

Überzeugungsarbeit: Lea, 22, musste für ihre Ausbildung mit Traditionen brechen.

Aufbrechen traditioneller Geschlechterrollen

Doch sie musste erst noch hart darum kämpfen, ihren Weg gehen zu dürfen. „Meine Mutter war strikt dagegen, dass ich eine Ausbildung als Klempnerin mache. Für sie war es unvorstellbar, dass ein Mädchen in diesem Beruf erfolgreich sein könnte. Immer wieder hat sie betont, dass es für eine Frau ein Tabu sei, diesen Beruf zu ergreifen, und dass ich es nicht schaffen würde,“ erzählt uns die 22-Jährige.

„Meine Mutter hat versucht, mich mit den merkwürdigsten Behauptungen von meinem Vorhaben abzubringen. Frauen seien keine guten Klempnerinnen, es sei ein schmutziges Handwerk.“ Auch ihre jüngere Schwester legte ihr Steine in den Weg und begann, die Verwandten gegen Lea mit ähnlichen Argumenten aufzuhetzen. Klempnern bringe Schande über die ganze Familie, denn man würde nur Fäkalien aus den Häusern der Leute schaufeln. Ein großes Missverständnis, das Lea selbst erst später mit dem genauen Wissen um die Inhalte der Ausbildung aufklären konnte.

Es gibt Hoffnung!

junge dunkelhäutige Frauen erlernen Klempnerberuf

Gemeinsam anpacken: Auch andere junge Frauen nutzen die Chance, in einem Männerberuf ihre Stärken zu zeigen.

Trotz des anhaltenden Drucks ihrer Mutter und der Ressentiments aus ihrem Umfeld kündigte Lea ihren Job und meldete sich Anfang 2023 für „Scale-Up!“ an. So auch Bijoux, die zur gleichen Zeit ihre sechsmonatige Ausbildung startete. „Ich freue mich sehr, dass ich zu den Frauen im Lager gehöre, die an diesem wunderbaren Kurs teilnehmen. Die Qualifikation, die ich erhalten werde, wird mir neue Türen öffnen“, so Bijoux. „Ich hätte nie gedacht, dass ich eines Tages zu den glücklichen Menschen gehören würde, die einen Beruf erlernen dürfen, von dem sie immer geträumt haben.“ Und auch Lea ist zuversichtlich, dass Sie mit den erworbenen Kenntnissen endlich richtig durchstarten kann.

Anerkannter Abschluss in ganz Afrika

Die Teilnehmenden der Ausbildung erwerben ein Zertifikat, das von der TEVET-Behörde anerkannt ist (Technical, Entrepreneurial and Vocational Education and Training), einer öffentlichen Einrichtung, die die Berufsausbildung in Malawi regelt. Der Abschluss ist damit auch in ganz Afrika gültig, sodass Bijioux und Lea, wenn sie dies möchten, auch außerhalb Malawis arbeiten könnten. 

Doppelte Berufung: Unabhängigkeit und Vorbildfunktion

Doch die beiden jungen Frauen haben schon klare Pläne in ihrer (Wahl-) Heimat: Leas Entschlossenheit, ihre Familie davon zu überzeugen, dass auch Frauen in einem von Männern dominierten Beruf erfolgreich sein können, war erfolgreich. Der Sinneswandel ihrer Mutter ist der beste Beweis. „Meine Mutter hat erkannt, wie falsch sie lag. Ihre Vorurteile hat sie abgelegt. Sie betrachtet mich nun mit Respekt und Bewunderung. Ich bin ein Vorbild für unsere Familie geworden“, berichtet Lea. Nach ihrem Abschluss plant sie, in der Klempnerbranche Fuß zu fassen.

dunkelhäutige Frau im Blaumann am Waschbecken

Vorbildfunktion: Als Klempnerin und als Frau möchte Lea anderen Mut machen.

Zusätzlich möchte sie mit ihren Mitschülerinnen ein kleines Klempnerunternehmen gründen, um die weit verbreiteten Geschlechter-Stereotypen in Bauberufen zu durchbrechen, die sie selbst erlebt hat. Denn Lea ist überzeugt, dass eine Frau mit entsprechendem technischem Know-how einen Wettbewerbsvorteil gegenüber männlichen Kollegen hat. „Auf der ganzen Welt kämpfen Menschen für die Gleichstellung von Mann und Frau. Der Weg, der mich bis hierher gebracht hat, hat mich viel gelehrt. Ich bin davon überzeugt, dass viele Arbeit- und Auftraggeber dies zu schätzen wissen“, betont Lea.

junge dunkelhäutige Frau Ausbildung Klempnern

Blick in die Zukunft: Bijoux hat nun einen Beruf, der ihren Lebensunterhalt sichert.

Und auch Bijoux hat in ihrer Ausbildung wertvolle Kenntnisse erworben, die sie nach Abschluss des Kurses in der Praxis sofort anwenden kann. Das ist essenziell in Dzaleka. Denn der Mangel an Möglichkeiten, den Flüchtlingen finanzielle Perspektiven zu geben, wird durch das Fehlen von Qualifizierungsangeboten noch verschärft.

Bijoux findet allmählich Anerkennung in ihrer Gemeinde. Kürzlich half sie einem Nachbarn, ein Abwasserrohr zu verlegen. Sie möchte ihren Beruf vor allem dazu nutzen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und um vielleicht sogar ihre Eltern zu unterstützen. Sie weiß, dass das nicht einfach sein wird, aber Bijoux ist überzeugt: „Ich habe die Fähigkeiten und die Qualifikation. Das ist alles, was ich brauche.“

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