Auswirkungen des Corona-Virus in Malawi

Leere Klassenzimmer: 5,4 Millionen Kinder ohne Schulbildung

Covid-19 ist eine globale Krise. Auch vor Afrika hat das Corona-Virus nicht Halt gemacht. Auch in Malawi sind die Schulen derzeit geschlossen. 5,4 Millionen Schülerinnen und Schüler müssen ebenso wie unsere Kinder zu Hause bleiben. Zwar wirken die (noch) niedrigen Fallzahlen im Vergleich zu Europa und den USA im ersten Moment erfreulich, jedoch ist die Dunkelziffer vermutlich weitaus höher.

41 positive Fälle von Covid-19 und drei Todesfälle sind derzeit amtlich bestätigt. Die Zahl der bisher unentdeckt oder nicht gemeldeten Erkrankten wird aber weit höher liegen. Seit Jahren ist das Gesundheitssystem chronisch überlastet, bei einer steigenden Fallzahl von Covid-19 Patienten könnte es rasch kollabieren. Es gibt 30 Intensivbetten für 18 Millionen Einwohner.

Zu Beginn der weltweiten Covid-19-Pandemie war die Heimkehr für die Kinder in Malawi zwar noch „Alltag“, denn zur Erntezeit unterstützen die meisten ihre Familien auf dem Land. Anfang April wurde jedoch in dem kleinen südostafrikanischen Land, in dem wir seit 17 Jahren tätig sind, der Katastrophenfall ausgerufen; zum 18. April verhängte die Regierung dann einen Lockdown auf unbestimmte Zeit.

corona-malawi-strategie

Die Regeln der malawischen Regierungen zum Start des Lockdowns wurden zwischen auf unbestimmte Zeit verlängert – und ähneln denen in Deutschland.

Verheerende wirtschaftliche Folgen durch Covid-19-Beschränkungen

schulspeisung-mthawira-grundschule

Schulspeisungen, wie hier an der Mthawira-Grundschule, finden derzeit nicht statt. Für viele Kinder ist dies oft die einzige warme Mahlzeit am Tag.

CLS-Vorsitzende Beatrice von Keyserlingk hält in diesen Wochen noch häufiger als sonst Kontakt zu den Menschen in Malawi, durch die wir mit unserer Arbeit verbunden sind: zu vielen Lehrkräften, Schuldirektoren, Stipendiaten, ihrem Patenkind Florence und zu unseren Bauleitern.

So berichtet der Direktor der Christian Liebig Sekundarschule, Rabson Mpinganjira, dass das Lernen aktuell zweitrangig ist. Die meisten Menschen haben andere Probleme.

Denn die größten Auswirkungen der Krise sind wirtschaftlich. Viele Menschen haben ihre formelle oder informelle Arbeit verloren, vor allem im Tourismus-Sektor, der komplett zusammengebrochen ist. Sie verdienen also kein Geld, um ihre Familien zu ernähren. Auch die Lehrkräfte wurden in den „Urlaub“ geschickt, erhalten aktuell aber noch Geld. Das Essen, das an vielen unserer Schulen bislang ausgegeben wurde, erreicht die Kinder nicht mehr. Oftmals war dies die einzige warme Mahlzeit am Tag.

Eine gute Nachricht in diesem stark von der Landwirtschaft geprägten Land: In Malawi ist aktuell Erntezeit und vor allem die Maisernte ist dieses Jahr überdurchschnittlich gut ausgefallen. Die Preise sind seit März deshalb stark gesunken –  allerdings immer noch auf vergleichsweise hohem Niveau. Dennoch kommt es aus diesem Grund auf den lokalen Märkten zumindest (noch) nicht zu Engpässen im Angebot.

Auf das Leben der zwar armen, aber hauptsächlich von einer guten Ernte abhängigen Bevölkerungsschicht, deren Kinder unsere Schulen besuchen, nimmt das Corona-Virus deshalb im Moment noch keinen so großen Einfluss. Ganz im Gegensatz zu den Menschen, die in den wenigen Großstädten leben und nun nicht arbeiten können. Hier sieht die Lage anders aus. Die Preise sind bereits gestiegen, Transportkosten bis zu 100%, Löhne werden nicht gezahlt, die Versorgung mit wichtigen Medikamenten kann nicht mehr gewährleistet werden.

Händewaschen ohne Wasser und Seife? Hygienevorschriften sind kaum umsetzbar.

Sollte sich das Virus jedoch demnächst rasant ausbreiten, wird es auch und vor allem die arme Bevölkerung massiv treffen.

Wie sollen Menschen ihre Familien ernähren, die als Tagelöhner während des Lockdowns nicht mehr arbeiten dürfen und die kein eigenes Stück Land haben, das sie „versorgt“? Wie sollen Hygienemaßnahmen, oder allein die Aufforderung, Abstand zu seinen Mitmenschen zu halten, umgesetzt werden? Das mag für den Großteil der Bevölkerung wie ein schlechter Witz klingen. Sie leben meist zu acht oder mehr auf engstem Raum, fließend Wasser gibt es nicht und die medizinische Versorgung ist quasi nicht existent.

Angesichts stark steigender Fallzahlen im Nachbarland Tansania ist die malawische Regierung jedoch fest entschlossen, die Bewegungsfreiheit bis auf Weiteres einzuschränken. Erste Demonstrationen erfolgten deshalb unmittelbar nach der Verkündung der Ausgangssperre. Lokale Märkte sind aber weiterhin offen. Versuche, zumindest den informellen Straßenhandel einzudämmen, sind bislang ohne Erfolg geblieben. 

clss-brunnen-rabson-corona

An der Christian-Liebig-Sekundarschule wurde kürzlich ein neuer Brunnen in Betrieb genommen – genau zur richtigen Zeit! Denn fließend Wasser ist auf dem Land in Malawi Mangelware.

Beatrice-gespraech-corona

Aufklärung auf Augenhöhe – wenngleich aktuell digital – ist der CLS-Vorsitzenden Beatrice von Keyserlingk ein besonderes Anliegen.

Die Menschen in Malawi müssen aktuell vor allem aufgeklärt werden. Das ist überlebenswichtig. Das frühzeitige Eindämmen der Krankheit hat oberste Priorität, um das schwache Gesundheitssystem nicht zu überstrapazieren. Deshalb ergänzen wir unsere Projektarbeit um die nun dringend notwendige Aufklärungsarbeit. Denn ohne Zugang zu fundierten Nachrichten verbreiten sich viele Halbwahrheiten.

Beatrice von Keyserlingk berichtet aus ihren Gesprächen: „Es kursieren Gerüchte, dass das Virus schlimmer als Ebola sei, man daran schnell und rettungslos stirbt. Deshalb macht sich im Moment vor allem Angst und teilweise Panik breit. Ich habe zu vielen Lehrern und einzelnen Schülern sowie unseren Stipendiaten persönliche Kontakte und nutze diese, um per WhatsApp die wichtigsten Informationen weiterzugeben – zumindest das, was wir hier in Deutschland sicher wissen.“

Hygienemaßnahmen und die Vermeidung von körperlichem Kontakt haben aktuell höchste Priorität – wie überall auf der Welt. Zwar sind unsere deutschen Tipps zur Hygiene schwer umsetzbar, fließend Wasser gibt es nicht überall, ganz zu schweigen von Desinfektionsmittel. Aber es geht darum, dass jetzt alle wissen, wie sie sich bestmöglich verhalten, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen.

„Mir war wichtig zu betonen, dass man auch ohne Symptome das Virus in sich tragen und weitergeben kann“, erzählt von Keyserlingk weiter. „Und ich habe auch versucht, Ängste zu nehmen: Dass man nicht sofort und zwangsläufig an diesem Virus stirbt, sondern als junger Mensch nach aktuellem Stand sogar sehr gute Chancen hat, es zu überstehen. Ich habe jeden gebeten, diese Informationen an Familie und Freunde weiterzugeben. Alle sind sehr dankbar für diese Aufklärung. So etwas schweißt noch enger zusammen. Und es zeigt, was wir unter einer ‚Entwicklungshilfe auf Augenhöhe‘ verstehen.“

Bildung bleibt auf der Strecke, solange die Schulen geschlossen sind

Eine Rückkehr in die Schulen oder in unsere beiden Mädchenwohnheime ist aktuell nicht absehbar. Material für ein „lernen daheim“ oder gar Online-Unterricht gibt es nicht. Zu wenig erschlossen ist das Land mit Strom und Internet, zu groß die Armut, um einen Computer sein Eigen zu nennen.

„Je länger die Krise anhält, desto größer wird die Bildungslücke – und das in einem Land, in dem schon in normalen Zeiten 40 Prozent der Menschen nicht lesen und schreiben können“, äußerte sich Johannes Kaltenbach, Länderdirektor Malawi der Deutschen Welthungerhilfe e.V., kürzlich besorgt auf der Website der Hilfsorganisation.

Ein Zustand mit verheerenden Folgen. Die Bildung wird auf der Strecke bleiben. Für viele ein hohes Risiko für ihre Zukunft.

beatrice-florence-corona

Beatrice von Keyserlingk mit ihrem Patenkind Florence an einer der CLS-Grundschulen: Lernen kann in Malawi nur vor Ort stattfinden, digitale Lösungen sind nicht umsetzbar.

CLS unterstützt Schulen mit Nothilfe und hält an Projektvorhaben fest

esther-chikupira-uni-corona

Stipendiatin Esther Chikupira hat große Angst um ihre Zukunft. Auch die Unis sind aufgrund der Corona-Pandemie auf unabsehbare Zeit geschlossen.

Wie für Esther Chikupira, Stipendiatin der CLS, die im Wohnheim der Sekundarschule gelebt hat und eigentlich gerade studiert:

„Ich habe große Angst vor diesem Virus. Meine Familie ist in der Landwirtschaft tätig, aber wir haben natürlich auch einen Grundbedarf an Dingen, die es derzeit nicht gibt oder die sehr teuer geworden sind. Ich bin auch in großer Sorge um meine Zukunft. Dieses Virus ändert alles, auch wirtschaftlich gesehen. Es trifft auch Länder wie Deutschland und die Menschen, die mich bislang unterstützt haben. Das macht mir große Angst. Und die Medien verbreiten zahlreiche Gerüchte um Covid-19: die einen sagen, es ist Teufelswerk, dem wir nicht entkommen, andere behaupten, China hätte bereits ein Heilmittel, oder es würde einen nicht treffen, wenn man sich die Hände wäscht.“

Beatrice von Keyserlingk und das gesamte Team der Christian-Liebig-Stiftung e.V. wird sich in den kommenden Wochen und Monaten natürlich weiterhin ganz besonders intensiv um Aufklärung an unseren Schulen kümmern. Wir arbeiten zusätzlich an einem Konzept, bei Bedarf für die Familien einiger unserer Schulen gezielt Nothilfe leisten zu können, so es Engpässe bei der Versorgung geben wird. Im Moment ist das aber zum Glück noch nicht der Fall.

Fürs Erste greifen wir deshalb der Sekundarschule unter die Arme: mit einer Fortzahlung der Gehälter u.a. für das Wachpersonal sowie einer finanziellen Unterstützung für das Wohnheim, damit die Schule zumindest ein wenig Budget hat und die Angestellten nicht ohne Job sind.

Und auch wenn unsere jährliche Reise im Oktober auf sehr wackeligen Füßen steht unter den gegebenen Umständen, so halten wir an unseren regulären Projektvorhaben weiterhin fest: dem Bau und der Renovierung von Schulen. Damit es nach der Corona-Krise auch für die Ärmsten rasch wieder gute Bildungsangebote gibt.

Ein Comic von Welthungerhilfe und Wash United klärt Kinder und Jugendliche in 20 Sprachen über das Coronavirus und über Hygiene- andere Maßnahmen zur Prävention auf.

malawi corona comic-titel-whh
Copyright © 2024 by Christian-Liebig-Stiftung e.V. – Mit freundlicher Unterstützung von Hubert Burda Media.